Studienfahrt Auschwitz 2016
Unserer Verantwortung auf der Spur
Auschwitz – Ein Ort der ewigen Erinnerung
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so heißt es in unserem Grundgesetz Artikel 1. Was dieser Satz bedeutet und warum er ins deutsche Grundgesetz aufgenommen wurde, das haben 17 Menschen im Alter von 15 – 64 Jahren auf einer Fahrt nach Auschwitz erfahren. Die Fahrt des Ev. Jugendzentrums Baumholder in Kooperation mit dem Ev. Kirchenkreis An Nahe und Glan (Leitung: Diakon Andreas Duhrmann, Diakonin Anika Weinsheimer und Günter Kistner - Dipl. Sozialpädagoge) fand in der Zeit vom 08. – 15. Oktober 2016 statt. Die Vorbereitungen zu dieser außergewöhnlichen Fahrt begannen schon im Juni dieses Jahres. Ein Zeitzeugengespräch in Frankfurt mit Heinz Hesdörffer hat sich im Juli angeschlossen. Letzte Absprachen traf die Gruppe dann im September im Jugendzentrum Baumholder.
Frank Seibel informierte die Gruppe über Geschehnisse vor und während des 2. Weltkrieges im Besucherinformations-Zentrum STALAG VIII A.
Die Kommandantur des Kriegsgefangenenlagers wurde bereits im August 1939 in Betrieb genommen, also kurz vor dem Einmarsch der Deutschen in Polen. Schnell wurde deutlich, wie akribisch der Krieg vorbereitet wurde.
Weitere Spuren des Krieges wurden in der Synagoge in Görlitz sichtbar. Der Gruppe erschloss sich ein wunderbares Bild. Eine renovierte Synagoge kurz vor ihrer Fertigstellung präsentierte sich von ihrer schönsten Seite.
„Das war nicht immer so“, wusste Klaus Wilmes, ein pensionierter Geschichtslehrer, zu berichten. „Die Renovierung stieß noch vor einigen Jahren auf heftigen Wiederstand. Ein Förderverein nahm sich diesem Gebäude an, das kurz vor dem völligen Verfall stand, und Gott sei Dank fließen heute Bundesmittel.“ In Görlitz lebten zahlreiche Juden vor dem Krieg.

Dieser Einstieg half der Gruppe, sich langsam dem eigentlichen Thema „Auschwitz“ behutsam zu nähern.
"Weg der Erinnerung" - Auf dem jüdischen Fiedhof fanden die letzten jüdischen Opfer aus dem Biesniter Grund ihre letzte Ruhe

Riesige Kartoffellager lagen am Rand der Rampe. Ruinen zeugen von der Fülle der vorhandenen Lebensmittel, die doch nicht ausreichten für die vielen Häftlinge

Es war kalt und regnerisch. Der Wind lies einem die Mütze tief ins Gesicht ziehen. Oft dachte die Gruppe an die Häftlinge, die ohne Strümpfe, Mütze und Schal, nur in zerrissener Häftlingskleidung stundenlang im aufgeweichten, knöcheltiefen Morast standen. Unbarmherzig waren die Lebensbedingungen vor Ort, entwürdigend der Umgang, den die Häftlinge erdulden mussten. Sollte ihr Weg nicht sofort in die Gaskammer gehen, so kam es nicht selten vor, dass sie in wenigen Tagen oder Wochen an Erschöpfung starben.

Jeden Abend hat die Gruppe ihre Erlebnisse untereinander ausgetauscht. Es wurde versucht, Antworten auf Fragen zu finden. Hilfe bekam sie z.B. durch Pater Manfred Deselaers. Er wohnt in der Stadt Oświęcim (Auschwitz) und widmet sich dort der deutsch-polnischen und christlich-jüdischen Versöhnungsarbeit. Antworten bekam die Gruppe auch von dem Ehepaar Halina und Wieslaw Świderski.
Das pensionierte Deutschlehrerehepaar führt deutsche Gruppen durch Auschwitz und Birkenau. Man spürt ihnen ab, wie wichtig ihnen die Versöhnungs- und Friedensarbeit ist, die von diesen Orten ausgehen. „Es liegt an uns, wie wir mit unserer Verantwortung aus der Geschichte umgehen“, so Wieslaw Świderski. In der „Kinderbaracke“ wurde deutlich, wie Menschen mit der Geschichte umgehen und
noch heute die Würde der Kinder von damals mit Füßen treten. Wo vor über 70 Jahren Kinder ab 2 Jahren auf ihren Tod warteten kratzen heute „KZ-Touristen“ Liebesbotschaften und Fußballvereine in die Steine. Dabei vergessen sie oder wollen nicht
wissen, was an diesem Ort geschehen ist. Auf dem Gelände von Birkenau wurden 1.100.000 Menschen ermordet, darunter waren 200.000 Kinder. Dieser Ort des Erinnerns ist gleichzeitig auch ein Ort der Mahnung an alle nachfolgenden Generationen.
Die Toten geben den Lebenden von heute einen Auftrag mit: „Lasst so ein Verbrechen nie wieder zu! Erstickt die Anfänge im Keim und lasst das Licht des Friedens in die Welt ziehen.“
Und da ist es wieder, der Satz mit der Würde des Menschen im Grundgesetz. Die Würde des Menschen ist unantastbar! Egal welche Hautfarbe, Religion und Geschlecht ein Mensch hat – die Würde darf ihnen nicht genommen werden. Mit dieser Erkenntnis versuchte die Gruppe in Krakau einen Ausstieg aus dem Erlebten, das doch so tief saß.
Krakau, eine Stadt, die lebt, die wächst und sehenswert ist. Diese Stadt war vor dem Krieg gefüllt von jüdischem Leben. An originalen Drehorten von „Schindlers Liste“ wurde dieses pulsierende Leben deutlich. Heute leben schätzungsweise noch 140 Juden in der Stadt. Das Grauen von Auschwitz-Birkenau hinter sich lassend, richtete die Gruppe nun ihren Blick nach vorne. Versöhnungs- und Friedensarbeit ist so wichtig wie vor über 70 Jahren. Agnieszka Czernecka führte die Gruppe durch Krakau und am Ende waren sich alle einig: Krakau ist immer eine Reise wert. Diese lebendige Stadtführung mit jüdischer Geschichte und aktuellem Zeitgeist, der durch Studenten und Aufbruchsstimmung geprägt wird, half der Gruppe, sich wieder der Gegenwart zu stellen und an der Zukunft zu arbeiten.
Bevor es nach 8 Tagen nach Hause ging, machten die zwei Kleinbusse nochmals Halt in Dresden.
Der Wiederaufbau der Frauenkirche zeigte, wie wichtig den Menschen der Weltfriede ist und so war dieser Besuch auch selbstverständlich.
In der Unterkirche im Raum der Stille hat jeder für sich nochmals seinen Erinnerungen einen Ort gegeben. Der Austausch am Abend in der Jugendherberge bestätigte die gelungene Fahrt. Neue Freundschaften sind entstanden, Polen als Reiseland wurde entdeckt und das Wichtigste, die Erkenntnis: Aus der Erinnerung wächst Verantwortung!
17 Jugendliche und Erwachsene haben sich selbst eine Studienfahrt geschenkt, die ihr Leben ein Stück verändert hat. Die Erlebnisse und Erkenntnisse möchten sie gerne weitergeben, in der Schule, in der Familie oder bei Freunden. Für sie ist klar, dass es heute genauso wichtig ist wie damals, Position zu beziehen.
Besuch der Synagoge in Oswiecim
Dies möchten sie auch gerne am 27. Januar 2017 tun. Am internationalen Holocaustgedenktag werden sie um 19.00 Uhr in der Ev. Kirche in Baumholder einen Gedenkgottesdienst gestalten.
Sie freuen sich schon heute darauf, mit den Besucherinnen und Besuchern anschließend ins Gespräch zu kommen und vielleicht möchte die eine oder der andere 2017 an dieser Studienfahrt teilnehmen (31.09.17 – 08.10.17). Die Gruppe hat ein online-Tagebuch geschrieben, in dem auch persönliche Eindrücke festgehalten wurden. Das Tagebuch kann unter www.gegendasvergessen2016.wordpress.com im Internet aufgerufen werden kann.
Ermöglicht wurde diese Fahrt durch die Unterstützung des „Lokalen Aktionsplans Kreuznach für Vielfalt“ und dem „Bildungswerk Heinz Hesdörffer e.V.“, sowie kommunaler Zuschüsse.
Andreas Duhrmann